Steiler Fels in den Dolomiten

von Walter Bajc

Sommer 2011. Geprägt durch rasche Wetterumschwünge in einer Konstanz die ihresgleichen sucht. Zwei Tage Regen, ein Tag Schön, zwei Tage Regen, . . . . . Für Kletterer genau das, was man sich nicht wünscht. Es galt daher die wenigen guten Tage zu nutzen.

So kam es dass Sohn Johannes und Vater Walter kurzerhand gen Italien abrauschten um dort ihr Glück zu suchen. In den südlichen Dolomiten liegt die in unseren Breiten eher unbekannte Pala- Gruppe. Kenner schätzen dieses Gebiet aber wegen ihres eisenharten Gesteins, sowie der guten Absicherungsmöglichkeiten. Zwar stecken in den Routen üblicherweise wenig Haken, aber dafür kann man nahezu jeden Meter (ok. Ist etwas übertrieben, aber oft ist es schon so) eine Sanduhr fädeln, sofern man genug Schlingen dabei hat.

Unser erstes Ziel war die (berühmte) Schleierkante (V+) an der Cima della Madona. Nach sechs Stunden Autofahrt und einem zweistündigem Aufstieg erreichten wir schließlich das Refugio Velo. Zwei Teller Körndlsuppe für jeden mussten als Abendessen reichen, die anderen Gäste hatten bereits alles andere aufgefuttert. Dabei studierten wir die anderen Leute um eventuelle Kantenanwärter herauszufiltern, aber wir sollten uns täuschen, einige, von uns als Aspiranten eingestuft, gingen lediglich den Klettersteig. Gut so!

Vor einigen Jahren habe ich mir in derselben Tour fast die Finger erfroren, dieses zweifelhafte Vergnügen wollte ich nicht noch einmal erleben, deshalb liesen wir uns beim Frühstück und Zustieg entsprechend Zeit. Trotzdem war der Fels auch diesmal nicht gerade warm aber doch deutlich angenehmer als letztes Mal. Drei Seillängen ging es zuerst im leichten 3-er Gelände, gerade recht um sich einzuklettern, bis zum ersten Kantenpfeiler. Der Originalweg, eine oft nasse Rißverschneidung, dort hinauf, wird heutzutage kaum mehr begangen. Statt dessen klettert man links davon über eine steiles, ausgesetztes Wandstück. Meines Erachtens die schwierigste Stelle in dieser Route, wie zahlreiche A0- Schlingen wohl bestätigen, von uns aber natürlich ignoriert wurden. Der Ruf der Kante kommt nicht von ungefähr. In traumhafter Kletterei geht’s Seillänge für Seillänge höher. 

Der von den Erstbegehern als „fast unmöglich erscheinenden Überfall auf die gegenüberliegende Wand“ beschriebene Spreizschritt erweist sich als harmlos, wie auch die folgende Wandstufe. In absolut genussreicher Kletterei gelangten wir schließlich zum Gipfel. Lang hielten wir uns nicht auf, da noch ein verwickelter Abstieg auf uns wartete. Mehrmals abseilend, dazwischen immer wieder im 2-3-er Gelände abkletternd erreichten wir endlich die Hütte. Auch hier machten wir nicht lange Halt, packten nur unsere restlichen Sachen, stiegen ins Tal ab, fuhren nach Primiero und gingen noch am selben Abend zur Trevisohütte.

Ein neuer Tag, eine neue Tour. Diesmal gings zur Sass d`Ortiga Westkante (VI-) wobei der Zustieg dorthin bereits ein kleines Abenteuer für sich ist. Zuerst braucht man ca. zwei Stunden hinauf in die Forcella dell Mughe um von dort aus auf einem schmalen, ausgesetzten Band nach links zu queren. Mehrmals Auf- und Absteigend, an den heiklen Stellen mit zum Teil beschädigter Drahtseilversicherung, erreicht man schließlich die kleine Scharte zwischen Pala della Refugio und Sass d'Ortiga. Im Gegensatz zum Vortag waren wir diesmal ganz alleine in der Route und konnten so eine Seillänge nach der anderen ohne Hektik genießen. Auch hier fanden wir wieder nur absolut festes Gestein vor. Schönere 4-er Längen als diese habe ich bisher noch selten wo gefunden, wenngleich auch hier wieder Eigeninitiative gefragt war. Haken findet man auf den ersten 150 m fallweise nur an den Standplätzen, Bohrhaken schon gar keine, dafür kann man, wie bereits oben erwähnt, jede Menge Sanduhrschlingen fädeln.

Ab dem ersten Kantenturm wird's richtig steil, ein kleiner Überhang muss bezwungen werden, aber mit den Riesengriffen stellt das natürlich kein wirkliches Problem dar. Zum Problem wurde lediglich, dass ich, vor lauter Freude, bereits im unteren Teil meine ganzen Schlingen verbraucht habe und oben daher keine mehr zur Verfügung hatte. Nun gut, ein 15m Runout in dieser Schwierigkeit lässt sich verkraften, am Stand eine Schlinge ins Seil geknüpft und durch eine Sanduhr gefädelt und es passte wieder. Was wiederum nicht passte war allerdings das Wetter. Hatten wir am Anfang noch strahlenden, wolkenlosen Himmel, so trübte es sich mittlerweile immer mehr ein.


Dieses Phänomen ist zwar in der Pala nicht ungewöhnlich, hier ziehen in der Mittagszeit fast immer dichte Quellwolken auf, aber diesmal beschlich mich ein unangenehmes Gefühl, da sie ziemlich flächendeckend und dunkel waren. Sicherheitshalber trieb ich Hannes zu mehr Eile an - hinauf auf den zweiten Kantenturm und Abstieg auf einen riesigen Klemmblock. Die anschließende, überhängende, Schlüsselstelle (VI-) nahmen wir im Sturmlauf, ebenso die nächste und damit letzte Länge, die uns auf den Grat und weiter zum Gipfel brachte. Inzwischen hatte sich das Wetter wieder soweit gebessert, dass wir den Abstieg in Ruhe, ohne Hektik, antreten konnten. Ein schmales Steiglein entlang des Südgrates, garniert mit Kletterstellen im 2-3 Schwierigkeitsgrad, führte uns hinunter zur Forcella und weiter zur Hütte. Kaum hatten wir die Tür hinter uns geschlossen, begann es . . . . . . . .3x dürfen Sie raten.