Die große Schlammschlacht (7-), 25.08.07

Von Florian Seebauer

Schlamm spielte schon in vielen Fällen eine tragende Rolle in der Geschichte der Menschheit:
 

Das Woodstock-Festival 1968 hätte ohne Schlamm nie seine historische Bedeutung erlangt; so mancher von Krankheiten Geplagter verdankt seine Heilung den segensreichen Fangopackungen – und auch für Kletterer kann Schlamm zu einschneidenden Erlebnissen beitragen:
 

Nach einigen Regentagen ist für das Wochenende etwas instabiles, aber deutlich besseres Wetter angesagt. Für eine Gesäuse-Nordwand-Tour reicht es nicht, aber eine größere Wand sollte möglich sein. Sepp Zehetner und ich machen uns auf den Weg zur Alpawand, einer ca. 500 m hohen, imposant steilen Felswand in den Berchtesgadener Alpen kurz vor Lofer. Wir wollen dort den „Fliegenden Holländer“ gehen, eine 15-Seillängen-Tour mit zwei 7- Passagen und vielen Seillängen im fünften und sechsten Schwierigkeitsgrad.
 

Beim Zustieg sind wir über die allgegenwärtige Feuchte überrascht: Erst am Vortag hat es hier noch geregnet; zuhause waren schon zwei regenfreie Tage vergangen. Dennoch steigen wir unverdrossen auf einem Wanderweg bergauf, über uns thront schon beeindruckend die Alpawand.
 

Der Zustieg ist bald gemeistert, auch der Einstieg gefunden. Leise tropft es über, neben und unter uns – „nach den ersten Seillängen wird es sicher trockener!“. Die Tour ist gut mit Bohrhaken gesichert, da fällt das Schleichen über steile Platten in der ersten Seillänge trotz der Feuchtigkeit viel leichter. Die erste Schlüsselstelle wartet gleich auf uns: Ein kleines Dach – natürlich nass – aber enorm rau und wasserzerfressen. Als Optimist könnte man sich über die Wasserkühlung der schmerzenden Fingerspitzen freuen…

Eine lange Reihe von Verschneidungen führt uns die nächsten Seillängen empor: Manche davon einfach nass, andere nass mit Schlamm. Unsere Lieblinge sind allerdings die mit Schleim fein garnierten Risse, die das ganze Jahr nicht auszutrocknen scheinen. Ein Prachtexemplar dieser Sorte erwartet uns nach einer Überraschung in der Mitte der Tour: Zuerst eine ca. 10 m lange, grifflose Reibungsplatte, die mit einem feinen Wasserfilm vollständig überspült ist. Bei den ersten Schritten noch unsicher, dann aber mit immer mehr Vertrauen schleichen wir die Platte hoch und beobachten die zarten Bächlein, die unsere Zehen umspülen. Dann aber kommt er, der schleimige Alptraum: Ein kurzer Steilaufschwung, der entlang einer Schuppe schön zu piazen wäre – wenn er nur trocken wäre…Der Vorsteiger schwingt sich mit entschlossenem Griff rasch empor; der Nachsteiger versucht, für eine gehobene Haltungsnote sauber in den rutschigen Riss zu steigen – und muss den Preis bezahlen: Wutsch, ein Rutsch ins Seil! Undank ist der Welt Lohn!

Eine ganze Reihe an Hindernissen wirft die Alpawand uns noch erfolglos entgegen: Einige Seillängen in einem steilen Bachbett, garniert mit Schotter, verkrüppelten Latschengerippen - gemeistert! Verschlammte Verschneidungen – überwunden!

Eine letzte Schikane vor dem Ausstieg: Von einem luftigen Pfeilerkopf blicken wir in die Schlusswand. Weit ins Genick müssen wir die Köpfe zurücklegen, um sie in Augenschein zu nehmen. Steil und luftig, scharf und spitzig führt die Route 2 Seillängen durch eine senkrechte, vom Wasser tief zerfressene Kalkplatte. „Sepp, die 7- Seillänge gehört mir!“ ruft der Vorsteiger und los geht’s! Konzentriertes Heranschleichen an die Schlüsselstelle, dann ein Schritt, ein Zug, ein Untergriff und ein schmaler Seitgriff zu einer kleinen Leiste – die Schlüsselstelle ist gelöst! Noch ist es zum Aufatmen zu früh, aber der „Adlerhorst“, ein markanter Graspolster in der senkrechten Wand ist bald erreicht. Zu unserem Standplatz führt auch die Tour „Rausch der Tiefe“, ein trefflich gewählter Name in dieser luftigen Wand…
 

Die letzten beiden Seillängen werden etwas leichter, aber noch ist volle Konzentration im 5. und 6. Grad gefordert. Erst der 14. Standplatz ist ein Baum an der Wandkante – hier ist es geschafft und wir können uns stolz die Hand zum Gruße reichen.

Der Abstieg bietet noch einige Schmankerl: Schwachen Trittspuren und vereinzelten roten Markierungspunkten folgend, geht’s hinunter durch steilen Bergwald zur Alpaalm. Ein wunderschöner Almboden, auf dem langsam alle Spuren von Bewirtschaftung zuwuchern. Er mündet in einen Wanderweg, der uns wieder zurück ins Tal führt.

Hier gibts das Topo!!