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1976: Pakistan - Hindukusch - Tirich Mir 7708 m

von Walter Kepplinger
 

Nachdem Siegi und mir der Pik Lenin gelungen war, wollten wir auf einen noch höheren Gipfel, nahe der magischen 8000 m-Grenze. Möglichst in einem Gebiet, wo das Wetter immer schön ist. Und dieses Gebiet gibt es tatsächlich, in Pakistän im Ost-Hindukusch. Bedingt durch unseren Urlaub von 5 Wochen, den wir zur Verfügung hatten, schlossen wir uns einer organisierten Expedition zum Tirich Mir an.
 

Für uns war in diesem Fall nicht viel vorzubereiten. Wiederum mit 20 kg-Flug- und 15 kg-Handgepäck flogen wir am 3. 7. 1976 von Zürich nach Frankfurt und von dort bis Karachi. Weitere Stationen bis ins Basislager, das wir nach 4tägigem Fußmarsch erreichten, waren Rawalpindi, Peshawar und Chitral. 4800 m hoch das Basislager.
 

Nach einem Ruhetag am 12. 7. - Anstieg zum Lager I, 5200 m, Sondierung des Geländes bis 5800 m wegen Spalten. Durch starke Sonneneinstrahlung wurde Siegi fast schneeblind und durch schlechte Kost wurde er krank.
 

Bedingt durch den Zeitdruck, ganze 18 Tage Zeit, diesen Bergriesen zu ersteigen, mußte ich mit einem Schweizer-Kameraden, Ulli Scheiwiller, mein Vorbereitungsprogramm ohne Siegi weiter durchfuhren.
 

Anstieg am 15. 7. zum Lager I - 5200 m -, am 16. 7. zum Lager II - 6000 m -, am 17. 7. erstiegen Ulli und ich den 6850 m hohen Irik Zoom, einen herrlichen Berg Über die Ostflanke. Wir waren glücklich über unseren ersten Erfolg, aber vor unseren Augen stand der noch fast um 1000 m höhere Tirich Mir, den wir über seine Südseite und weiter über die Ostflanke ersteigen wollten. Mittlerweile hatte sich Siegi so weit erholt, daß er uns auf das Lager II nachstieg und uns dort erwartete.
 

Nach gut verbrachter Nacht stiegen wir gemeinsam ab ins Basislager, um zwei Tage Rast vor dem Gipfelsturm einzulegen. Wir nützten diese zwei Tage, um unsere Ausrüstung zu überholen und unseren Körper mit Nahrung und Flüssigkeit vollzustopfen und um viel zu schlafen. Es war immer schön, das war unser großes Glück. Nur einige Tage Schlechtwetter und der Tirich Mir wäre für uns unerreichbar geworden.
 

So marschierten wir am 20. 7. ab Basislager zum Lager I. Wir übernachteten auf jedem Lager, um uns noch besser zu akklimatisieren. Besonders Siegi hatte ja noch durch seine Krankheit einen Rückstand, aber er machte alles durch seine Routine und unbeugsamen Willen wett.



Der vorentscheidende Tag, der 24.7.
 

Wir betraten Neuland. Vom Lager III - 6300 m -, auf das Col zwischen Tirich West und Hauptgipfel in 7200 m Höhe. Anstrengende Spurarbeit in steilen Schnee- und Eisfeldern erwartete uns. Durch Fixseile, die von einer Expedition zurückgelassen wurden. hatten wir eine Steighilfe, die uns in der Schlüsselstelle, eine Verschneidung von 80 m, Schwierigkeitsgrad IV, in 6.800 m Höhe erst so richtig bewusst wurde. Nach acht Stunden Anstieg kamen wir wohlbehalten im Lager IV auf 7200 m Höhe an. Wir bezogen unser Freibiwak, da wir keine Zelte zur Verfügung hatten und verbrachten eine kalte Nacht.



Am 25. 7. um 8 Uhr Aufbruch zum Gipfel.
 

Ein hartes, teilweise blankgefegtes Schneefeld kostete uns viel Kraft. Ein Fehltritt und man wäre unweigerlich in die über 2000 m hohe Ostwand gestürzt. Ungesichert und gleichzeitig gehend, meisterten wir die brüchigen Felswände oberhalb der Eiswand bis zum Gipfelgrat, Es war mittlerweile bereits 14 Uhr geworden und wir mussten ja den ganzen Weg bis zum Lager IV zurück.

Wir beratschlagten, ob wir es noch wagen sollten, weiterzugehen. Unser Entschluß stand bald fest. Wir riskieren alles, um auf diesen herrlichen Gipfel zu gelangen. Mit letzter Kraftanstrengung taumelten wir förmlich dem Gipfel entgegen; auf einem schneefreien und brüchigen Grat, bis wir uns um 15 Uhr in die Arme fielen. Siegi, Ulli und ich waren glücklich. Wir schämten uns nicht unserer Tränen der Freude, Händedruck, Kameradschaft, der Schermberglerwimpel flattert im Gipfelwind. Rundblick zu den Bergen der Welt, K 2, Noshag, zum Greifen nahe. Nur Gipfel soweit das Auge reicht. Ein Danke dem Herrgott für diese Welt, für seine Berge und für solche Kameraden.
 

Leider kam nach diesem Glück der Todessturz unseres Kameraden Ulli, der im Abstieg sich von uns trennte und unbemerkt von uns in die 2000 m hohe Ostwand tödlich abstürzte. Er bleibt uns unvergessen!
 

Nach einem weiteren Biwak auf 7200 m stiegen wir zum sicheren Lager III ab. Wir brauchten einige Tage um ins Basislager abzusteigen. Unser Kräfteverfall war enorm. 8 kg hatte jeder von uns abgenommen. Dazu kam noch unsere schlechte moralische Verfassung durch den Tod unseres Gipfelgefährten Ulli. Der Rückmarsch vom Basislager bis zur Straße von Chitral, wo uns Jeeps aufnahmen, dauerte 3 Tage. Qualvoll der Marsch und in den Nächten immer wieder die Erlebnisse am Berg, die noch nicht verarbeitet waren. Dieser Berg war für uns ein Prüfstein und zeigte uns die Grenzen unserer Belastbarkeit.